Perspectivia

([o. O. ]Den 15. August[ 1756]

[… ]teurer Bruder [… ]| [… ]| [… ]Wir haben hier einige Bekanntschaften aus Rom, einen Prälaten und einen italienischen Grafen. Ersterer hat soviel Geist wie man nur haben kann. Er wollte nach Berlin gehen, aber er braucht eine Erlaubnis. Wenn er sie erhält, werde ich ihm Briefe für Sie mitgeben. Er spricht nur Italienisch und kann sich nur sehr schlecht auf Französisch ausdrücken, was der Grund ist, dass er hier nur wenige Gesprächsmöglichkeiten findet. Wir erwarten auch einige Franzosen. [… ]Ich erwarte einige Stücke vom «Prix de Rome» Der «Prix de Rome» wurde 1666 unter Louis XIV. auf Initiative von Charles Le Brun (1619–1690), Maler, Architekt und Rektor der Académie royale de Peinture et de Sculpture, und Jean-Baptiste de Colbert (1665–1746) zunächst für Studenten der Malerei und der Bildhauerei begründet. Die Gewinner erhielten ein Stipendium, das es ihnen ermöglichte, auf Kosten des Staates drei bis fünf Jahre in Rom zu bleiben. Bei den von Wilhelmine genannten Stücken handelt es sich aber ganz offenbar nicht um zeitgenössische Skulpturen, sondern um Antiken.. Gleichen, der ein großer Altertumskenner ist, verschafft sie mir dort. Darunter ist eine Gruppe, die Psyche und Amor {Hierbei handelt es sich wohl um die „Statuengruppe des Eros und der Psyche“, die Wilhelmine ihrem Bruder 1758 vererbte [heute Berlin, SMB, Antikensammlung, Sk 151.] #261 Hüneke et al., 2009: 356f., Kat. Nr. 219.} darstellt, und ein Bacchuskopf aus rotem antiken[ Marmor], die erstklassig sein sollen. Diese Arten von Dingen bilden meinen einzigen Zeitvertreib, da ich mich mit allem möglichen nicht mehr beschäftigen kann. Lebt wohl, teurer Bruder, seien Sie von allen meinen Empfindungen überzeugt, und bewahren Sie mir die Ihrigen

Wilhelmine

[…].)