Perspectivia
ID & Link0414
FundortAT-OeStA/HHStA, StAbt Russland 2, 04, F. 2, 1727 Aug-Dez, Bl. 72r-74v
TitelAllerdurchleuchtigst-großmächtigst-unüberwindligster Röm[ischer] Kayser
AbsenderRabutin, Amadeus de Bussy-
EmpfängerKarl VI., HRR, Kaiser
AbsendeortSt. Petersburg
Empfängerort
Absendedatum1727-08-30
Absendedatum gregor.
Absendedatum julian.
Empfängerdatum1727-09-19
TextsorteRelation mit Beilage
Form der ÜberlieferungAusfertigung
Bemerkungen
Transkript verfügbar?Ja

Allerdurchleuchtigst- Großmächtigst
unüberwindligster Römischer Kayser auch zu Hispanien
Hungarn und Boheim König, Ertz-Herzog
zu Österreich p. p.

Allergnädigster Kayser König und Herr Herr

Im Original in rechter Spalte.
praesentatum 19 Septembris
1727
Eingangsvermerk des Empfängers.

Vermög allerunterthänigster anlagen hat sich der
Graff Moriz ohne wieder-stand bequemet Cur-
land zu verlaßen, die Trouppen, welche
bey demselben auf der zu bevestigen angefange-
nen Jnsul waren, an der zahl ohngefähr 250.
Mann, darunter verschiedene französisch- und
Schwedische Officiers befindlich, wollen sambt
dem vorrath von kriegs und Mund Ammunition
in die Rußische Gränz-vestung Riga provisi-
onaliter gebracht - und hernechstens der Pohlnischen
Commission wieder außgeliefferet werden, umb
darmit als dann nach gut-befinden zu verfügen.
Rußischer seits giebet mann vor, dadurch ein be-
sorgendes feuer zeitlich noch in seiner Asche
ersticken zu wollen, und nicht vernünfftig
erwarten zu können, biß das übel stärcker
mithin desto schwerer werden, demselben also mit
einem streich abzuhelffen, wie dann würklich
noch eine namhafftere Mannschafft und andere
kriegs-nothwendigkeiten schon auf der Cüste von
Curland an dem Haaven zu Windau waren,
allda außzusteigen, und dem Graff Moriz
zu dienste mit zu seyn, welche mann aber nicht Hier und am nächsten Zeilenende ist das durch eine Papierfalte verdeckte Wortende aus dem Kontext ergänzt worden.
zu lande gelaßen; Übrigens der Commis-
sion von der Republique hiesig-beständiger
erklährung nach ganz frey bleiben solle, über
den Curländischen zustand (außgenommen der annoch
vieleicht vorhabender einzihung) zu erkennen und
zu decidiren.

Nun laßen sich die dießzeitige ursachen zwar allhier
gut hören, ungewiß aber ist, ob mann dieselbe
anderwärts in gleichem werth aufnehmen - und
ob nicht die Republique ihrer eyffer-sucht nach
darüber als eine Violationem territorii
reclamiren, und vieleicht noch mehr von anderen
Puissancen werde aufgeraizet werden, da
es mit deme herbeygekommenen volck und
anderen geräthschafften, die doch gleich einen nam-
hafften Costen außtragend, zu welchem der Graff
Moriz auß dem seinigen nicht vermögend, Clar gnug
hervorliegent, daß frembde Mächte sich unter der
hand mit jnteressiren wollen, diesen Graffen
manuteniren zu helffen, umb der Curländischen

Im Original in linker Spalte.
Numero 49. Journalnummer.

Graff von Rabutin
Petersburg den 30.ten August 1727.
Empfängerrubrum.

händelen hernachmahls zu ihrem zweck nach vor-
fallenheit deren umbständen bediennen zu können;
ich habe dahero allhier vorgestellet, wie zu diesen
genommenen etwas mißlichen praecantionem, im
fall mann mir ehender davon geredet hätte, als
die ordre würklich gegeben worden, nicht würde
haben rathen wollen, und hielte gegenwärtig davor,
allen anlaß, wodurch die Republique irritirt
werden könte, abzustellen, darauf sie mir auch
versicheret, daß schon vorgestren der befehl an
den General Lacy ergangen, sich mit seinen
Trouppen zuruckzuzihen; Bey deme ob es nun
sein verbleiben haben - und ob die Republique
für ein ungebettene arbeit dancken werde,
stehet zu erwarten.

Dem Graffen von Seckendorff ermangele nicht iedesmahl
die folge in diesen Curländischen Sachen zu communiciren, und
würde mir hingegen diensam seyn, wann auch, wie mann am
preußischen Hoff selbige ansihet, nachrichtlich zu wißen bekäme.

Womit zu allerhöchsten Kayserlichen hulden mich in allertieffestem
Respect empfehle ersterbend
Ewer Kayserlichen Mayestät

Im Original in rechter Spalte.
Allerunterthanigst
treu gehorsambst
rabutin
Von anderer Hand, Autograph Rabutins.

Im Original in linker Spalte.
Peterßburg den 30.ten August
1727

Copia Literarum vom Baron Werthern zu Miethau dem
Graffen von Rabutin de dato 23ten August 1727.

Euer Excellenz vom 16.ten an mich abgelasßene habe die Ehre
zu erhalten, und werde ich nicht ermangelen von allem part
zu geben.

Der General Lacy hat vor seiner abreiß denen Beyden
Herren Ober-Räthen, so sich anjezo hier Befinden, nochmahlen
Jhro Kayßerliche Mayestät Jntention vorgestellet, und ver-
meinte d nach abgefertigter deprecation und submission
gegen die Republique Pohlen man einen prinzen alß könfftigen
Successor in vorschlag Bringen könte, welche proposition
dan den herrn Canzler nicht mißfallen hat; der herr land-Mar-
schal Branckel hingegen hat gedachtem herrn Generalen vor-
gestellet, waßmaßen die verlangte Submission erfolgen
solte, der vorschlag eines neuen fürsten aber könte der
Suites halber nicht acceptiret werden, und da das land
den herrn Graffen Moriz nicht zum Herzoge haben
solte, würde das land mit der Republique der könfftigen
einrichtung, und Regirungs-form wegen zu tractiren
suchen, welches der herr General wiederrathen hat, und
gewarnet, sich nicht mit der Republique deßfals in tractaten
einzulassen, weil Jhro Russische Mayestät Curland, und
Semgallen von einem fürsten wolten regiret wissen.

Der 1. 30. 331. 654. Chiffrierte, aber nicht entschlüsselte Textstelle. mein Confident versicheret, daß, be-
vor Sie einen prinzen von Moscau vorschlagen, und diese
Russische Protection annemmen, Er, und die Stände lieber
zu lassen, Curland in Woywodschafften zu theilen, des
bey lezteren übel könnne der adel in etwas die freyheit
beybehalten, bey ersterem aber gehe alles ver-
lohren, die forcht vor Moscau ist groß.

Die Republique solle von keinem fürsten wissen wollen,
sondern gedencken einen Stadthalter zu sezen, und dar-
über zu tractiren. Die Beyde herren Ober-Räthe
haben gestern einen Expressen mit brieffe an die herren
Commissarien geschicket, und darinn worgestellet, d
nachdeme Sie aus Jhro Russischen Mayestät Schreiben
ersehen hätten, die wahl zu Cassiren, und der
Republique sich zu Submittiren, alß wolten Sie dem-
selben schuldigst nachleben. Sonst gehet ein gericht,
d des herrn Graffen Moriz Mannschafft arretiret, und
nicht nach Windau Convoiret worden, der Graff
vor seine persohn habe sich ziemlich von holm reti-
riret, und der General Lieutenant Velling, so ehe-
mahls in Russischen diensten geweßen, vor jezo aber
in des Graff Moriz seine gestanden, wäre geschloßen,
wovon mit nächster Post die mehrere umbstände
Berühren wil. Der ich übrigens mit vielem Respect
verharre

Euer Excellenz

Im Original in rechter Spalte.
Schuldigstgehorsambster
Baron de Werthern.

Im Original in linker Spalte.
Mittau den 23. August
1727

Mittau dem 22.ten August 1727.

Dem 19.ten dieses seynd nicht nur die Beyde Russische Ge-
neralen der von Lacy und Bibikoff, sondern auch der
Oberhaubtmann Reck, und Haubtmann Keyserling
von der Usmaitischen See zuruck anhero gekommen,
da man dan vernommen, d der Graff Moriz auf die
an Jhn gethane Russische Proposition, Curland sofort
Sich dergestalt, und zwar sehr gelaßen erklähret,
wie Er darinn unglücklich wäre, d Jhro Mayestät von
Rußland so grosse ungnade auf Jhn geworffen, da Er
doch unschuldig, und wieder dieselbe nichts pecciret, und
weil Er deroselben macht, und ordre zu wiederstehen
Sich viel zu schwach Befinde, alß wolte Er zu bezeigung
seines schuldigsten Respects- und Gehorsambs die ein-
genommene Holme nebst Curland quittiren, Er bätte
aber nur Jhm eine frist von 10. Tägen aus, umb die
sachen, ammunition, und das Proviant abführen zu
können; Es solle Jhme aber vor eine zeit von 7. Tägen
hierzu erlaubet seyn. Gedachte Generals haben zwar
desselben Tags denen ober-Räthen etwas vorstellen wollen,
allein weilen sowohl der landHofmeister, alß der ober
Burggraff auf Jhre güter abgereißet geweßen, alß
ist solches biß auf die zurückkonfft Bemelter Generalen
aus Lithau außgesezet. Es seynd selbe dan 20.ten hujus
dahin aufgebrochen, umb denen Königlichen Commissarien
eins- und das andere zu proponiren, und wird nun
bey deren zurückkonfft zu erfahren stehen, worinnen
Jhre Propositiones eigentlich Bestanden. Der Graff
Moriz hat nach verfließung der Jhme accordirter Zeit
die Jnsul in der Usmaitischen See verlassen und mit
seinen leuthen nach Windau sich begeben, umb von dannen
zu Schiff fortzugehen. Er solle aber resolviret seyn,
einen von Seinen bedienten an die Königliche Commission
abzuschicken, umb bey derselben umb ein Solvum Con-
ductum an zu halten, damit Er seine unschuld wegen
der auf Jhn gefallenen wahl vorstellen, und seine
deßfals bißhero gemachte unkösten dociren könne,
und nachdeme Bemelter Graff von denen Holmen in
der Usmaitischen See abgezogen, sollen Selbige von
denen Rußen wieder eingenommen seyn, welche auch biß
Auf weitere ordre daselbst stehen geblieben; Es wird
von gewiß gesaget, d 2. Compagnien davon Jhro hoch
fürstlich Durchlaucht dem herrn Herzogen von Curland biß
Memel entgegen Gehen, und dieselbe ins land convoiren
sollen; Allein es meritiret dießes eine Confirma-
tion. Gestern ist ein Regiment Russischer Jnfanterie
jenseits der bäche alhier angekommen, welches seine
Gezelte Aufgeschlagen, und sich gegen das fürstliche
Schloß über gesezet. Man wil auch, d heut der
General Major Venediger gleichfals mit 3. Regimentern
Jnfanterie, und 2. Regimentern Cavalerie dazustossen
werde. Auf welchen fal dan 7. Regimenter Russen
in Curland sich würdklich Befinden. Die Königliche Com-
mission mögte auch wohl nicht außbleiben, obgleich
nur 3. quartiers bis dato vor die Commissiarien be-
stellet seynd, nemblich vor den Bischoff von Ermbland,
unterfeldherrn Chomentovski, und Graffen Dunin.