Perspectivia
ID & Link0659
FundortGStA PK, I. HA GR, Rep. 11 Auswärtige Beziehungen, Akten, Nr. 6694, Bl. 163r-164v
Titelo. N.
AbsenderMardefeld, Gustav von
EmpfängerFriedrich Wilhelm I., Preußen, König
AbsendeortSt. Petersburg
Empfängerort
Absendedatum1726-09-07
Absendedatum gregor.
Absendedatum julian.
Empfängerdatum
TextsorteRelation
Form der ÜberlieferungAusfertigung
BemerkungenSIRIO
Transkript verfügbar?Ja

Im Original in linker Spalte.
7 septembris 1726. Von anderer Hand.

Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster,
Allergnädigster König und Herr,

Ewer Königlichen Mayestät habe zwar in meiner heütigen relation
en general wegen des gefährlichen Zustand des Fürsten
Menschikow allerunterthänigste
Im Original unterstrichen. berichtet: Weil aber dabey be-
sondere und gantz secrete Umbstände vorkommen, welche
ich auff alle Weise zu menagiren habe, als habe selbige zu
Ewer Königlichen Mayestät eigenen gdigsten Händen und unter Kauff-
manns Couvert allerunterthänigst zu referiren, meiner Schul-
digkeit z Textstelle unetr Tintenfleck nicht lesbar. u seyn erachtet. Es ist gantz gewiß, daß der
Fürst dur ?; Lesung unsicher, da Textstelle durch Tintenfleck verdeckt. ch den Hochmuth so weit leiten laßen, und Seine
Autoritaet und faveur dahin mißbrauchet, daß Er eine solche
Einrichtung beym Civil- und militair-Wesen gemacht, auch
würcklich zu exerciren angefangen, dadurch Er in der That
regierender Herr worden wäre, und Ihro Mayestät die Kayserin
nur den Nahmen davon getragen hätte: welches dann so weit
gegangen, daß Er alle Gnaden-Sachen an Sich gezogen, an die
Collegia ordres von Ihm allein unterschrieben in Geld- und andern
wichtigen Sachen abgehen laßen, und dabey ein despotischer und
härter Regiment geführet, als man von Ihro Mayestät der Kayserin
gewohnet gewesen, welches dann einen solchen tödtlichen Haß
gegen Ihn erwecket, und das mecontentement so general gemacht,
daß es endlich dem Staat, und gantz gewiß deßen Persohn zu
erst hätte funest seyn können. Die violente conduite, welche Er
in Curland Seiner instruction zuwider, aus eigener Autorité
geführet, und das rude tractament, welches Er der verwittib-
ten Hertzogin widerfahren laßen, ingleichen, daß Er die Stadt
Riga, weil sie Ihm nicht eben die Ehre, wie dem hochseeligen Kayser
angethan, sehr übel handthieret, selbiger die administration ihrer
Intraden abgenommen, und einem Seiner Creaturen gegeben,
haben angefangen, Ihro Mayestät der Kayserin die Augen zu öffnen;
dann weil die Hertzogin von Curland Ihr refuge zum Hertzog von
Hollstein genommen, deßen Gemahlin, nebst der Printzeßin
Elisabeth vorhin schon gegen Ihn erbittert gewesen, und zwar
aus verschiedenen secreten Ursachen, so hat die gantze Kayserliche
familie Sich mit einander verbunden, und unter Anführung des
Hertzogs cause commune gegen Ihn gemacht auch dem Großfür-
sten und der Großfürstin solchen Haß mit inspi Lesung unsicher durch (nicht ganz deckenden) Tintenfleck. riret und ist in
einer zu Peterhoff gehaltenen secreten Berathschlagung nichts gu-
tes über Ihn beschloßen; und soll der Großfürst gesaget haben
laßet uns nur mit einander halten, so wird alles gut gehen. Man
hat mich versichert, daß ich mir nicht vorstellen könte, wie weit
die animosité der Kayserlichen familie gegen Ihn gienge: weshalben
dann leicht zu gedencken, daß nichts unerforschet, und unange-
bracht bleibet, was Ihn stürtzen kan, unter andern auch, daß
Sein plan gewesen, Selbst dermahleinst Kayser zu werden, den al-
ten Sapieha zum König in Pohlen, und deßen Sohn, Seinen gen-
dre zum Hertzog in Curland wehlen zu machen.
Er hat Sich große mouvements gegeben, umb den Befehl, von
welchem ich Ewer Königlichen Mayestät bereits allerunterthänigst referiret,
zu hintertreiben. Dem ohngeachtet ist derselbe dieser Tage publi-
ciret, und Ihm dadurch die autoritaet bey denen Collegijs beschnit-
ten, folglich Sein gantzer plan gestört worden: worüber Er en
furie und zu befürchten ist, daß Er in dem erstens zorn demarches
thun werde, welche Ihn gereuen Lesung unsicher dürfften. Weil Er nun siehet, wo-
her Ihm solches kömbt, so hat Er Sich an den Graff Bassewitz ad-
dressiret, und denselben bereden wollen, daß durch eine solche or-
der das Reich und die Kayserin in Gefahr stünden, und dabey ge-
füget, daß Er alles quittiren, und Sich auff Seine Güter reti-
riren wollte. Dieser hat Ihm das erstere mit guten Gründen
widerleget, und das letztere widerrathen, weil es leicht gesche-
hen könte, daß man Ihm solches als einen Trotz au Lesung unsicher. ffnehmen, und
bey einer langen Abwesenheit gewahr werden möchte, daß die
Regierung auch ohne Ihm geführet werden könne.
Ein empfindlicher chagrin ist Ihm auch dadurch geschehen, daß, ob
Er schon Sich nach allem Vermögen dagegen gesetzet, Sein Capital-
Feind, Jaguschinsky wieder in die affairen genommen, und als am-
bassadeur nach Grodno gesandt worden: welches auch des Hertzogs
Werck ist, und wird derselbe nicht ermanglen, den General Mün-
nich gleichfalls gegen Ihn zu souteniren: welchen Er ohne einige
Ursache aus purem neid bißhero gedrucket hat.
Die Commission wegen des Streits mit der Hertzogin von
Curland subsistiret noch, und weil diese Sache jetzo in großer
Bewegung ist, und der Graff Bassewitz Sich gerne davon de-
barrassiren will, so ist Er auff Seine Güter in Esthland verreiset.
In solchem Stande ist dieses Werck gegenwärtig, wiewohl
die erfahrensten meinen, daß die Kayserin den Fürsten nimmer
gantz fallen laßen werde. Gewiß ist, daß es Ihm einen großen
Stoß thun, und des Hertzogs elevation dadurch so hoch gehen wird,
als Er Selbsten will. Dann Er mißbraucht Seiner faveur nicht,
thut alles mit dem supremen Conseil, und läßet deßen Mitgliedern
Ihre libertaet und autoritaet im votiren; ist nicht interessiret, und
hat desfalls die opinion vor Sich, daß Er gerade zu gehet,
und die Justitz liebet welches Tugenden sind, die man Ihro
Durchlaucht dem Fürsten Menschikow nicht beylegen will: dahero
dieser viel Feinde, der erstere aber viel Freunde hat. Ich ver-
harre in allersubmissestem respect
Ewer Königlichen Mayestät

Im Original in linker Spalte.
St. Petersburg
den 7. Septembris
1726.

Im Original in rechter Spalte.
Allerunterthänigster
und treu verpflichtester diener
GustavvonMardefeld

Im Original in linker Spalte.
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