Relationen vom russischen Hof

Numero 14
1728 25. April/6. May

Durchlauchtigster Herzog,
gnädigster Herr.

Mit der alleweile angelangten Post erhalte ich
ein Schreiben von des Herrn Geheimbden Rathß-Praesidenten Gra-
fen von Bassewitz Excellence sub dato Wien den 10ten April,
worinn dieselbe mich von denen dispositionen unter-
richtet, worinn sie den dortigen kayserlichen Hoff, in An-
sehen Ewrer königlichen Hoheit Angelegenheiten gefun-
den haben. Eß ist wol allerdings tröstlich,
daß man Ewre königliche Hoheit ermahnet, nur guten
Muth zu faßen, weil hoffentlich bey dem so nahe
bevorstehenden Friedenß-congress dero Sachen schon
würden vergnüglich außzumachen stehen, und
daß Ihro kayserliche Mayestät Selbst sich so deutlich dar-
über haben vernehmen laßen. Inzwischen
aber scheinet doch nachdencklich zu seyn, daß man
gern auf den hiesigen kayserlichen Hof schieben wolle
alß wann allenfalß von selbigem mittelst des
erforderten Nachdruckß die würckliche Erfüllung
der für Ewre königliche Hoheit eingegangenen Verbindlich-
keiten nicht möchte zu gewärtigen stehen, da man
hingegen alhie im geringsten nichts davon wil
an sich kommen laßen, sondern beständig versi-
chert, man wolle sich gern alle dem conformiren,
was der Römische Kayser en faveur Eurer königlichen
Hoheit fürzunehmen sich entschließen werde.
Ich kan mir leicht zum vorauß fürstellen, daß so-
bald ich von denen Wienerischen gewierigen Äußerun-
gen die gebührende usage zu machen schuldigster-
maaßen werde beflißen seyn, ich eine pure Wie-
derholung der bißherigen contestationen gewärti-
gen muß. Inzwischen aber habe ich doch noch für
ein paar Tagen auß einer mit dem Großadmiral Im Original chiffriert.
gehabten Unterredung zweyerley abnehmen können:
1mo daß hiesiger Hoff festiglich glaube, man
risquire nichts bey allen magnifiquen Verheissungen,
weil Im Original chiffriert. wann die größeste Mißhellig-
keiten in Europa durch eine gütliche composition
beygeleget werden, der Römische Kayser wol nicht
möchte gemeynt seyn, umb Ewrer königlichen Hoheit
Schleswigischer Sache willen einen eigenen
Krieg zu erheben, und Rußland zu einem Tractat-
mäßigen Beytritt zu sommiren.
2do daß die alte Herren Rußen in der That sich
nach nichts mehr alß einem beständigen Frieden
sehnen, umb alßdann auf Ihre eigene Ruhe
und der Ihrigen Wohlfarth desto beßer bedacht
seyn zu konnen.
Die mehreste der Herren Geheimen Räthe sind
diese Woche über auf Ihren in der nähe habenden
Land-Güthern und wird daher in affairen nichts
fürgenommen. Eß hält auch überdem über
alle maaßen schwehr, bey der Minder-jährigkeit
des Monarchen die Herren der Regierung auf
eynerley Sinn und Stimme zu bringen über
Sachen, wobey kein augenscheinlicher Vortheil
für das Reich kan gezeiget werden.
Ich muß solches bey meinem obhanden Geld-
negotio leyder nur mehr dann zu viel war-
nehmen, und kan mit Gott bezeugen, daß
mir solches die äuserste Gemüthß Bekümmer-
niß veruhrsache. Ein jeder giebt mir für
sein particulier die schönste Vertröstungen
von der Welt, aber im hohen Rath müßen
doch die Stimmen wol nicht gleich lauten.
Ich habe den unerweichlichen Groß-Cantzler Im Original chiffriert. Dechiffrement ergänzt aus den Konzepten
deßfalß am
meisten in Verdacht. Der Baron Osterman
darf nicht alle mahl thuen, was Er vielleicht
gerne thäte. Andere laßen sich nicht so leicht Im Original chiffriert.
von honneur piquiren.
Der Kayser gehet heute nach einem etwa 80 Werste
von hier gelegenen dem Feldmarschall Gallizin zu-
gehörigem Land-Guthe, von wannen Ihro Mayestät
wohl nicht eher alß in 14 Tagen (wie man glaubt) Text in Bruch gebunden
zurück kommen möchten.
Es wird Aufmercksamkeit verdienen, zu sehen,
ob der Kayser weiter gehen, und Sich auch nach
der Ukraina wird führen laßen wie
solches der Brüder Gallizin fürhaben Im Original chiffriert. und
dabey die Absicht seyn soll, als jetzige Favoriten
Dolghorucky, Vater und Sohn auß
dem Sattel zu heben. Im Original chiffriert. Wofern
Baron Ostermann Im Original chiffriert. nicht mit von der Reyse seyn solte,
so dürfte der Anschlag eben so leicht
gegen Ihn, alß die andere gerichtet seyn Im Original chiffriert. . Einige
Muthmaßungen, es könte auch wol intendiret Im Original chiffriert.
werden Ihro Mayestät
allgemählich von dem Beständigen Umbgange mit
der Groß-Fürstin und der Printzeßinn Elisabeth abzuziehen, umb Ihn alleine in die Hände Im Original chiffriert. zu bekommen.
Der alte Baron v. Mardefeldt hat vorgestern
bey Ihro kayserliche Mayestät seine Abschieds-audientz
gehabt. Der Wolffenbüttelsche Ministre hinge-
gen, welcher nach erhaltenem rapel mit Ihm
zu reisen gesonnen war, hat ordre bekommen
hieselbst annoch etwas zu verweilen.
Ich beharre in ohnverbrüchlicher tieffester vene-
ration
Ewrer königlichen Hoheit

unterthänigst-trew-
gehorsambster Knecht
B. v. Stambke.

Im Original in linker Spalte.
Moscow
den 25ten April/6ten May 1728.

1728 25. April/6. May

Unterthänigst Postscriptum

Auch Gnädigster Herr

habe ich auf gnädiges Verlangen Ihro kayserlichen Hoheit
der Prinzessinn Elisabeth nicht ermangeln sollen,
unterthänigst mit anzufügen, wie dieselbe anjetzo,
Nachmittagß, mit Ihro Mayestät dem Kayser aufs Land
zu reisen sind ersuchet worden: Sie bitten
dannenhero, dero Fraw Schwester; meiner aller-
gnädigsten Herzoginn kayserliche Hoheit, wollen nicht
ungütig nehmen, daß Sie anheute, da Sie gar zu
geschwind von Ihro Mayestät sind überaschet worden,
dero gehabtes Fürhaben, zu schreiben, nicht haben
vollenführen können, auch das weiter zu vermu-
thende etwa 14tägige Aussetzen der correspondentz
lediglich der Abwesenheit beyzumessen.
Ut in relatione humillima perge Moscow
den 25ten April/6ten May 1728.

B. v. Stambke