

ID & Link | 1137 |
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Fundort | NLA-STAWO 1 Alt 6, Nr. 223a, Bl. 5r-8v |
Titel | ohne Titel [Durchlauchtigster…] |
Absender | Christian von Kniestedt |
Empfänger | Ludwig Rudolf, Herzog von Braunschweig-Lüneburg |
Absendeort | St. Petersburg |
Empfängerort | |
Absendedatum | 1727-08-30 |
Absendedatum gregor. | |
Absendedatum julian. | |
Empfängerdatum | |
Textsorte | Relation |
Form der Überlieferung | Ausfertigung |
Bemerkungen | |
Transkript verfügbar? | Ja |
Durchlauchtigster Hertzog
Gnädigster Fürst und Herr.
Es werden Ewrer Durchlaucht mein ersteres abge-
laßenes unterthänigstes schreiben, - Gnaden angesehen
und was ich darinne denen Umständen nach be-
richten können, Ihro gnädigst haben gefallen laßen,
in deßen weiterer allergehorsamsten Fortsetzung
um anjetzo vermelde, wie ich nunmehro, nachdem
ich vorhero dem Reichs-Vice Cantzler, Baron von
Ostermann meine Cour gemachet, die aller-
höchste Gnade gehabt Seiner Kayserlichen Mayestät wie
auch der Groß-Fürstinn Kayserlicher Hoheit mich
zu Füßen zu werffen, und deroselben die Hän-
de zu küßen, dabey mir dann sowoll des Kay-
sers Mayestät als auch der Groß-Fürstin Kayserlichen
Hoheit verschiedene Fragen von Ewrer Durchlaucht
und der Hertzogin Durchlaucht hohen Wollbe-
finden und Gesundheit gethan, auch Ihre Freu-
de bezeiget, daß Sie schon davon angenehme
Nachrichten durch den Geheimbte-Raht von
Cramm albereits auch empfangen hätten.
Es sind höchst dieselbe beyderseits derjenigen
Relation so erwehnter Geheimbter-Rath davon
neulich erstattet in allem gleich, und laßen Seine
Kayserliche Mayestät nebst dero Frau Schwester
Kayserlicher Hoheit in allen schon sehr viellen Es-
prit und
Dieses Blatt ist in der Originalakte nach dem Brief einsortiert.
und eine sehr angenehme vivacité von Ihnen
hervürblicken. Morgen Nachmittag prepariret
sich der Hoff nach dem Lust-Schloß Petershoffs.
Meillen von hier belegen, zu gehen, um noch von
der Zeit und dem schönen Wetter, welches mit
dem Beschluß zukünftigen Monaths hier zulan-
de sich gemeiniglich endigen soll, zu profiti-
ren, wohin wir dann auff ordre des Hoffes
vielleicht auch woll werden mit folgen müßen.
Es ist, wie gehöret habe, dieses ein Ort der
viell Annehmlichkeit, und insonderheit einen
prächtigen Garten und darinnen sehr schönen
Fontainen, Cascaden etc. haben soll. Man
hält auch die Luft daselbst vor Seine Kayserliche
Mayestät viell gesünder als die hiesige, und
dero höchste Persohn da mehr in Sicherheit vor
die Blattern zu seynn, welche alhier anjetzo sehr
grassiren
thun. Es ist öffentlich bey Lebens-Strafe einem
jedweden, der diese Seuche in seinem Hauße hat
oder sonst gehabt hat, verbohten binnen gewißer
determinirter Zeit der Insull, wo der Hoff jetzt
befindlich, sich weder zu nähern noch weniger
selbst darauff zu kommen; So sehr suchet man
den jungen Monarchen vor diese Kranckheit
zu bewahren und inacht zu nehmen. Des
Fürsten von Menzikovs Durchlaucht sind vor einigen
Tagen auch nach ihren unweit von hier bele-
genen Lust-Hauß, Oranienbaum, abgereiset,
um nach Ihrer gehabten indisposition daselbsten
Sich wieder in etwas zu erhohlen und von
dem saison zu profitieren, werden aber, wie
es heist, von da dem Kayserlichen Hoff-Lager nach
gemeldtem Petershoff folgen.
Meinem letztern unterthänigsten schreiben zu folge
habe
habe dann auch in Geseelschaft des Geheimbten-Rahts
von Cramm mich gestern nach der St. Petersburg-
ger-Insull verfüget, und alda das Kayserliche
Todten-Gerüste besehen, welches in der daselbst
befindlichen Petri Kirche auffgerichtet ist. Vor
der Thür und beym Eingang dieser Kirche auff
dem Platz ist erst. ein Corp von 400 Mann
starck, alles Preobraczinski, das die Wache hält,
und welches man vorbey passiren muß; In und
außerhalb der Thür stehen wieder 4 Mann
Schildwache, und von da komet man denn
endlich durch eine andere Thür gleichfals mit
Wache besetzet in die Kirche an den Ort selbst,
wo die Särger zu sehen seyn; dieser ist
nun erst. gantz mit schwartzen und mit Silbern
Borten besetzten Sammet an denen Wänden
herum ausgeschlagen, der Boden aber mit Tuch
von gleicher Farbe beleget. Die Särger stehen
auff
einem 4 Stuffen hohen und mit rohten Sam-
met überher und weit herum bedeckten Fußboden,
Seynd von mittelmääßiger höhe und auff
Todten-Bahren gesetzet, und überher mit großen
biß auff die Erde herum reichenden von Goldenem
Stück und darauff seyenden Creutz, von silber-
nen Mor gemachet, und an allen vier Ecken mit
starcken goldenen Quasten behengten Leichen-
Tüchern überleget und gerade neben einander
gesetzet, der Kayser zur Rechten und die Kay-
serin zur lincken. Obenher ist ein von
rohten Sammet sehr reich mit Gold brodirter
Himmell und darunter gestickten beyde Kay-
serlichen Nahmen und Krohnen zu sehen, und
deßen Umfang ist mit seinen tieff herabhengen-
den Ecken von Hermelinen, mit viellen golde-
nen Quasten gleichfals beziehret, von 4 Engelln
in die höhe gehalten; Über diesen ist wiederum
ein
anderer und noch viell größerer, welcher von
schwartzem Sammet und mit viellen von Silber
drein gesärt-gestickten Krohnen und herum hangen-
den gleichfals silbernen Franselln und Quasten,
welche noch viell tieffer als die an dem ersteren
herunter gehen, und den Platz gleichsam herum
einschließen, ausstaffiret. Zu dem Haupt der Sär-
ge stehet oben auff dem Gerüst ein Officier von der
Guarde mit voller Mondierung und entblößetem
Haupt, seine Lantze in der Hand und einen schwar-
tze trauer-Binde über die Acksell herunter habend,
deßgleichen zu denen Füßen (woselbst ein Altar
auffgerichtet, vür welches täglich Gebehter vor
die Verstorbenen gehalten werden) einer von
der Cavallier-Guarde, auch in seiner Mondi-
rung und schwartzen Binde, das Gewehr stets
beym Fuß und das Gesicht gegen den Altar
haltend. Unten auff der ersten Stuffen mehr,
besagten Gerüsts sind 8 über Lebens-Größen seyen-
de
und weinend vürgestellte, auch eine jeden
eine Kayserliche Krohne auff dem Haupt tra-
gende Statuen sitzende zu sehen, deren eine
jegliche eine Wißenschaft oder Tugend des
höchstseeligsten Kaysers und Kayserin vür-
stellen soll, Worunter dann sonderlich an
des Kaysers Seite die Statua der See- und
Schiffarths-Wißenschaft, als an welcher vor
andren der affect der Traurigkeit zum besten
exprimiret, zu remarquiren ist; Eine jede
davon hält dabey eines von denen Reichs-in-
signibus in Händen. Zum Füßen dieser
erwehnten Statuen stehen 12 in Manns-Größe
hohe silberne Leuchter mit weißen Wachs-
Kertzen bestecket, und weiter hinter auch
über solchen hangen eben soviell Cristallene
Lichter-Krohnen herum, welche Tag und Nacht
mit brennenden Lichtern besetzet seyn, unten
und
zwischen denenselben aber sind wechßells-Weise
wieder hohe Ehren-Säullen mit Emblematibus
und inscriptionen in Rußischer Sprache geschrieben gesetzet, und
außen neben diesem allen stehen 12 Mann
Preobraczinski mit langen schwartzen trauer-
Mantellen angethan, ihre Lantze stets in Händen
und beym Fuß wieder gepflantzet, und das Ge-
sicht gegen den Altar habendes. Außen an de-
nen Wänden, welche wie vorgemeldet, mit schwar-
tzen und mit silber starck bordirten Sammet
tapeciret seyn, ersiehet man all die Trauer-Fah-
nen, so bey dem Leichen-Conduct sind gebrauchet
worden, und auff deren jedes ist eines von
denen dem Rußischen Scepter unterworffenen
Provintzen ihren Wappen, und vorne imen-
dig über der Thür des Eingangs das große
Reichs-Insiegull in silber gegoßen, so auch dazu-
mahl vor der Leiche mit getragen worden, zu sehen;
Unten
an solchen Wänden aber gantz herum stehen wie-
der vielle Ehren-Säullen gleichfals mit Em-
blematibus und untergesetzten inscriptionen in
Rußischer Sprache geschrieben, welche ich aber
in Ermangellung eines translatoris dazumahl
mir nicht habe können vertiren laßen. Dieses
alles nun wann man es in seiner Ordnung
beysammen siehet, thut einen recht guten Effect
und siehet sehr schön und magnfic aus; die
Särger selbst aber konte man nicht zu sehen
bekommen, maaßen solche zu entdecken ver-
bohten worden, und ist dieses Castrum do-
loris schon seither dem Absterben des Gottsee-
lichsten Kaysers also zu sehen und immer
bewachet gewesen. Die Kirche betreffent,
so ist selbige noch nicht gantz zu ihrer perfection,
Sie wird aber sehr schön werden, und ist
das Gebäude nebst dem Thurm mit einem
Tach von
starck in Feuer vergoldeten Platten bedecket,
hat auch ein schönes Klocken-Spiell, welches al-
le Vierthell-Stunden mit seinem spiellen anzei-
gen und sich hören laßen muß. Übrigens könten
Ewre Durchlaucht noch auch von der vor einiger Zeit
hier entstandenen Feuers-Brunst, wodurch über
400 Häußer auch sehr vielle Schiffe und Men-
schen verbrandt worden unterthänigst berichten;
gleichwie ich aber nicht zweiffle es werden
solches durch den öffentlichen Zeittungs-Druck schon
bekand geworden seyn, so will davon weitere
Meldung zu thun übergehen, und nur noch
Ewrer Durchlaucht zu dero neulichst abermahls
glücklich erlebten hohen Nahmens-Tag in tieff-
ster devotion gratuliren, und von dem Aller-
höchsten alles stets währende Fürstliche Hochergehen auch
diesen Tag mit beständiger Leibes-Gesundheit
biß in das spähteste Menschliche Alter noch ferner
zu erleben unterthänigst anwünschen, und
zu Ewrer Durchlaucht hohen Gnade und Hulde
mich biß ins Grab befehlen. Der ich in tieff-
stem Respect und Devotion bin
Ewrer Durchlaucht
Im Original in rechter Spalte.
unterthänigst-treu
gehorsamster Knecht
Christian von Kniestedt
Im Original in linker Spalte.
St. Petersburg
den 30ten Augusti 1727.