Perspectivia

([o. O. ][Potsdam ]den 30. November 1755

Meine teuerste Schwester.
[… ]Sie machen so schöne Lobeshymnen auf Sanssouci, dass wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, Wassermelonen zu finden, ich nichts Eiligeres getan hätte, als sie Ihnen anzubieten. Aber da das Jahr schlecht war wegen der zu großen Fülle an Regenfällen, ließen die Früchte sich nicht erhalten. Ich bin darüber sehr verärgert. Ich hoffe, zur Ehre Sanssoucis, das es sich nächstes Jahr nicht in der gleichen Mangelsituation an Nahrungsmitteln befinden wird. Die Gemäldegalerie, welche ich zusammenstelle, ist ganz neu. Ich habe nichts aus der Galerie von Berlin entnommen. Dennoch habe ich beinahe hundert Gemälde zusammengesammelt, darunter 2 Correggios, zwei Guidos, zwei Paolo Veroneses, einen Tintoretto, einen Solimena, 12 Rubens’, 11 van Dycks, ohne die weiteren berühmten Meister aufzuzählen. Ich benötige noch 50 Gemälde, die ich aus Italien und Flandern erwarte, und mit welchen ich glaube, meine Galerie vervollständigen zu können. Sie sehen, meine teure Schwester, dass die Philosophie nicht stets die Torheit aus dem Kopf der Menschen verbannt. Diejenige der Gemälde wird bei mir kurz sein. Denn sobald es dort eine angemessene Menge gibt, kaufe ich nichts mehr. Ich beklage den armen Bonin. Er war ein Kerl von übermäßigem Ehrgeiz, doch der ansonsten verdienstvoll war. Die Post wird abgehen, es bleibt mir nur, Sie liebevoll zu umarmen, indem Sie der lebhaften Zuneigung versichere, mit welcher ich auf ewig bin,

meine teuerste Schwester,
Ihr getreuester Bruder und Diener

Friedrich.)